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"Das Leben in einem Krieg, der ganze Städte in Schutt und Asche legt, kenne ich nur aus Erzählungen meiner Großmutter aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Verzweiflung und existenzielle Angst, die ich aus ihren Erzählungen kenne, erkenne ich in Berichten von Ukrainer:innen wieder. Das erschüttert mich.


Junge Ukrainer:innen, die wie ich den größten Teil ihres Lebens noch vor sich haben, werden vom Krieg ihrer Zukunft oder sogar ihres Lebens beraubt, während ihre Vergangenheit und ihre Heimat zerstört werden - was sie gerade verlieren, habe ich auch zu verlieren.


Ich habe seit dem 24. Februar oft darüber nachgedacht, ob und wie ich im Falle eines Angriffs mein Land und die Existenz, die ich mir darin aufzubauen versuche, verteidigen müsste. Ich bin fassungslos und wütend darüber, dass ein Staat solche Gedanken in Europa wieder hervorruft und die Menschen in der Ukraine zwingt, diese unfassbar schweren Entscheidungen zu treffen."

Lennart K., 23 Jahre, studiert Kunst- und Designwissenschaft

"Seit Ende Februar erlebe ich ein widersprüchliches Leben. Auf der einen Seite ist Krieg, Leid und Tod, die sich im Alltag etablieren und auf der anderen Seite ist quasi 'same procedure as every year'. Der Alltag hat sich durch den Krieg stark verändert, aber er bleibt doch Alltag. So wird diese Absurdheit und Perversität der Tyrannei plötzlich normal, aber bleibt gleichzeitig immer ein Schock-Moment."

Samuel R., 19 Jahre, studiert Musik auf Lehramt

"Ich hatte nicht gedacht, dass mir das Schreiben dieses Textes solche Schwierigkeiten bereiten würde. Ich hatte auch nicht gedacht, dass ich dabei keinen zu begegnen hätte. Was mich beim Schreiben überraschte war nicht nur die bisweilen erwartbare vollkommene Sprachlosigkeit, war auch nicht ein unpassendes Übermaß an Worten, sondern vielmehr eine umfassende Ungewissheit. Eigentlich weiß ich ja, was ich von dem Krieg halte, was ich dabei fühle. Aber was soll ich dazu sagen, wenn ich hier bin, wenn ich hier sitze und mich schwertun kann darüber zu schreiben, wo andere gerade sterben. Und da weiß ich wieder nicht, wie das auszuhalten sein soll, was man dabei noch fühlen kann. Der Krieg ist nicht fern, aber auch nicht nah. Räumlich jedenfalls nicht, nur wenn ich mich darauf besinne. Wenn ich Geflüchtete sehe oder über Freund*innen auf einmal ganz nah daran bin, wenn ich versuche, mich darauf einzulassen und irgendwie zu verstehen, was da gerade geschieht. Das allein ist schon bei der Unfassbarkeit des Grauens ein beinahe unmöglicher Versuch. Und es ist schwer, sich zwischen dieser Ferne und Nähe zurechtzufinden. Was kann so ein Text dann bringen? Wann hat man genug gesagt, etwas dazu beigetragen? Wann hat man als Mensch hier genug getan, um jedenfalls irgendwie zu helfen, etwas Gutes zu tun? Sicher kann ich sagen, dass meine Solidarität mit der Ukraine ungebrochen bleibt, ungebrochen auch die Hoffnung, wenngleich manchmal das Ungewisse mich doch noch umtreibt."

Thomas D., 21 Jahre, studiert Geschichtswissenschaften und Philosophie

"Es fühlt sich unglaublich surreal an, aufzuwachen und durch das Leben zu gehen, als ob sich nichts verändert hätte. Ich plane Ereignisse in meinem Leben, studiere, treffe mich mit meinen Freunden, feiere Geburtstage und gehe auf Konzerte.

Auf dem Weg zur Uni treffe ich nicht auf Raketen, ich stolpere nicht über zerfetzte Gliedmaßen und Leichen. Ich laufe durch eine Stadt, in der ich tatsächlich ein Zuhause habe, und in das ich zurückkehren kann. Aber nur wenige Länder entfernt ist das alles schon lange nicht mehr selbstverständlich. 

Beim Lesen jedes einzelnen Textes fühlte ich mich unbehaglich. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass das, was diese Studierenden erleben, nicht einfach nur Geschichten sind, sondern dass es sich um Gleichaltrige handelt, die aus ihrem Alltag erzählen. Ich hatte das quälende Gefühl, dass dies ich oder meine Freunde hätten sein können. Ich musste daran denken, wie es wäre, meine eigene Mutter zu verlieren. Wie es wäre, wenn mir meine eigene Zukunft genommen werden würde. Letztendlich sind wir alle nur junge Erwachsene. Wir wollen studieren, die Welt sehen, und vor allem wollen wir leben."

Lisa G., 18 Jahre, studiert Psychologie

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